TFF #35: Vom Problem zur Lösung: Warum Purpose (auch) der Schlüssel zu erfolgreicher Digitalisierung ist

In dieser Woche habe ich an vier verschiedenen Orten mit vier unterschiedlichen Gruppen immer wieder dasselbe Muster beobachtet: Viele Organisationen springen viel zu schnell zur Lösung, ohne das Problem wirklich zu verstehen. Sie fragen: „Welches Tool brauche ich? Welche Struktur brauchen wir?“ Die richtige Frage lautet jedoch: „Warum machen wir das überhaupt?“ Dieses Missverständnis konnten wir in unseren Workshops dank Design‑Thinking und dem Double‑Diamond‑Modell klären – zum Beispiel im Projektmanagement‑GPT, bei dem zunächst das Problem klar definiert wurde, bevor wir den Prototyp gebaut haben.

🎙️ Du hörst lieber? Hier eine kurze, KI-generierte Audio-Zusammenfassung dieser Ausgabe:

Digitalisierung: Sinn – Strategie – Prozess – der Kompass

Im Leitfaden Digitalisierung für KMU, den wir bei mmind.ai zusammen mit dem KMU-HSG entwickelt haben, ist dieses Prinzip als siebenstufiger Weg verankert – und er beginnt mit dem Zweck. Beim Swiss Impact Forum in Bern war diese Idee ebenfalls zentral, denn die neue Version der B‑Corp‑Standards setzt einen starken Akzent auf Purpose: Jedes zertifizierte Unternehmen muss nun ein klar definiertes öffentliches Purpose‑Statement haben und Governance‑Strukturen schaffen, die soziale und ökologische Auswirkungen sowie Stakeholder‑Belange berücksichtigen. Diese „Purpose & Stakeholder Governance“-Anforderungen (PSG1–PSG6) verpflichten Unternehmen dazu, den Unternehmenszweck in der Strategie zu verankern, die Auswirkungen auf Stakeholder bei Entscheidungen einzubeziehen und Transparenz über ihre Fortschritte herzustellen.

Purpose & Stakeholder Governance (PSG) von B Lab

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Diese Neuerung war für mich die wichtigste Erkenntnis aus dem Swiss Impact Forum – ein Purpose-Revival, das uns zurück zum Ausgangspunkt führt: Ohne Sinn keine Struktur.

1 · Zweck klären – Warum?

Beim Swiss Impact Forum sprach das Unternehmen L’Occitane darüber, wie sie ihren öffentlichen Zweck „Mit Empowerment regenerieren wir die Natur“ erarbeitet und in die gesamte Unternehmensstrategie integriert haben. Ebenso berichtete der Fruchstaft-Hersteller Opaline Factory von seiner Mission, Mehrwegflaschen in der Westschweiz zu etablieren. In Valais hat das Unternehmen mit Getränkehändlern und einer lokalen Flaschenwaschanlage eine Wiederverwendungs‑Plattform aufgebaut. Die Initiatoren betonten, dass solche Kooperationen nur funktionieren, wenn alle Beteiligten denselben Zweck teilen und bereit sind, gemeinsam Herausforderungen wie Logistik zu lösen.

Diese Stimmen zeigen, wie die neue „Purpose & Stakeholder Governance“ praktisch umgesetzt wird: Über ein öffentliches Purpose‑Statement, das zum strategischen Leitstern wird, und klare Governance‑Strukturen, die den Purpose überwachen.

Der Schritt aus dem Leitfaden

Im Leitfaden empfehlen wir, den Zweck der Digitalisierung zu klären. Bevor Sie ein Projekt starten, beantworten Sie schriftlich:

  • Warum? Welches Problem wollen Sie lösen? (z. B. Fachkräftemangel, Ressourcenschonung, neue Geschäftsmodelle).

  • Für wen? Wer sind die Betroffenen und Mitwirkenden (Mitarbeitende, Kund:innen, Lieferanten)?

  • Was passiert, wenn nichts getan wird?

Diese Fragen halfen auch im Projektmanagement‑Kurs in Schaan am Donnerstag: Teilnehmende erkannten nach der intensiven, KI-gestützten Auseinandersetzung mit dem „Warum?“, dass ihr Projekt eine ganz andere Richtung benötigt als zunächst angenommen.

2 · Ist‑Zustand erfassen – Status quo verstehen

Während der Paneldiskussion im Swiss Impact Forum berichteten kleine Unternehmen, wie schwer es ist, Stakeholder in Entscheidungen einzubeziehen. Eine Unternehmerin sagte: „Wir stellen Fragen, aber bekommen kaum Rückmeldungen.“ Die Empfehlung: Prozesse sichtbar machen und auf kleine Schritte setzen – z. B. Interviews mit einzelnen Stakeholdern, spezifische Agenda‑Punkte für Bedürfnisse und Auswirkungen bei jedem Meeting.

Genau diesen Schritt haben wir auch im Modul „Digitale Verantwortung“ an der Universität Liechtenstein getan. Eine Teilnehmerin empfand KI als unzuverlässig und unkontrollierbar. Erst nach einer detaillierten Analyse der Funktionsweise und Risiken von KI-Modellen wurde klar, wo Lücken lagen. Ohne diese Bestandsaufnahme wäre das Projekt nicht gestartet. Der Leitfaden rät, die eigenen Abläufe zu visualisieren und Engpässe zu identifizieren.

3 · Potenziale finden – Engpässe erkennen

Im Forum diskutierte eine Arbeitsgruppe über Menschenrechte in Lieferketten. Sie wiesen darauf hin, dass saisonale Arbeiter:innen auch in der Schweiz von Diskriminierung betroffen sein können. Nur wer vor Ort ist und die wahren Zustände kennt, kann Potenziale zur Verbesserung entdecken.

Auch im Projektmanagement‑Kurs identifizierten wir „Nervfaktoren“ – Aufgaben, die manuell doppelt erledigt wurden. Die Teilnehmer im Uni‑Modul erkannten, dass ein AI‑Governance‑Coach Zeit sparen und Fehler reduzieren kann. Der Leitfaden empfiehlt, genau diese Engpässe systematisch zu erfassen. Dort setzen die Potenziale an.

4 · Inspiration erhalten – Über den Tellerrand blicken

Die Geschichten von Opaline und L’Occitane inspirierten andere Teilnehmende, ihre eigenen Projekte mutiger zu gestalten. Am Donnerstag verglichen wir Custom GPTs, Google Gems und Claude Projects für einen Projektmanagement‑Coach und liessen die KI Ideen sprudeln. Das Ergebnis: KI kann nicht nur recherchieren, sondern im Thinking-Modus auch grundlegend neue Ideen generieren (Synthese). Auch der persönliche Austausch zwischen Unternehmen gehört dazu: Der Leitfaden rät, sich Inspiration von anderen Unternehmen zu holen und ihre Erfahrungen zu nutzen.

5 · Soll‑Zustand definieren – Vision ohne Scheuklappen

Opaline stellte sich eine Zukunft vor, in der wiederverwendbare Glasflaschen die Regel sind – nicht nur für ihr Unternehmen, sondern für die gesamte Branche. L’Occitane definierte eine Vision einer naturpositiven Lieferkette. Durch diese Leitbilder konnten sie Hindernisse erkennen und Lösungen entwerfen. Der Leitfaden fordert, den idealen, schlanken Prozess zu entwerfen – ohne technologische Scheuklappen. Und im Projektmanagement-Kurs versetzten wir uns mit Hilfe der KI direkt in die Zukunft hinein und generierten zu jedem einzelnen Projekt der Teilnehmer/innen ein «Future Press Release», vorgestellt in einer echten kleinen Pressekonfernez.

6 · Massnahmen ableiten – Technologien auswählen

Erst nachdem Zweck, Ist‑Zustand, Potenziale und Soll‑Zustand geklärt sind, wählt man die passenden Technologien. Opaline nutzt zum Beispiel ein regionales Flaschenwaschsystem und digitale Nachverfolgung, um Flaschen kreislauffähig zu machen. Im Modul „Digitale Verantwortung“ wählten wir eine ChatGPT‑basierte Lösung und zeigten einen Prototypen für Nachhaltigkeits-Reporting auf Basis des Google AI Studios, nachdem wir Anforderungen wie Datensicherheit, verifizierte Quellen und Dialogform definiert hatten. Der Leitfaden betont, die Technik erst dann zu wählen, wenn man weiss, wozu sie dienen soll.

7 · Verankern – Veränderungen leben

L’Occitane berichtete, wie sie ein Netzwerk von „B‑Corp‑Champions“ aufgebaut haben, das Mitarbeitende weltweit einbindet und den Purpose in den Arbeitsalltag trägt. Ohne Schulungen und die Einbindung der Führungsebene hätten sie die neuen Standards nicht umsetzen können. Opalin erwähnte, dass der Aufbau von Mehrweginitiativen mühsam ist, weil man Wettbewerber, NGOs und Politik zusammenbringen muss – aber nur durch langfristige Zusammenarbeit kann man Verhaltensänderungen verankern.

Leitfaden Digitalisierung von mmind.ai und KMU-HSG

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Fazit: Purpose → Strategie → Prozesse → Struktur

Die Geschichten von L’Occitane, Opalin und den Teilnehmenden unserer Workshops zeigen: Die Reihenfolge entscheidet über den Erfolg. Wer mit Struktur oder Technologie beginnt, verliert sich in Tools und Frameworks. Wer mit dem Purpose beginnt, findet den passenden Weg. Dieses Prinzip spiegelt sich auch in den neuen B‑Lab‑Standards wider: Purpose und Stakeholder‑Governance sind Mindestanforderungen, und Führungsgremien müssen soziale und ökologische Ziele überwachen.

Unternehmen, die in strategische Nachhaltigkeitsinitiativen investieren, steigern ihren Marktwert; laut Forschung des Leonardo Centre der Imperial College beträgt der Wertzuwachs über zwölf Jahre rund 30 % (etwa 2 % pro Jahr). Purpose ist also nicht nur ein moralischer Imperativ, sondern auch ein betriebswirtschaftlicher.. 

Dein nächster Schritt: Vom Wissen ins Tun kommen

Wenn du diese Themen vertiefen und direkt umsetzen willst, lade ich dich zu unserem nächsten KI-Café am 10. Dezember in Schaan ein. Dort erhalten wir einen Impuls zum Thema Microsoft Cloud & Datenschutz und machen uns mit dem Microsoft Copilot vertraut:

➡️ Hier geht’s zur Anmeldung

P.S. Zum Abschluss nochmals auf den Punkt gebracht – Purpose: Der Schlüssel zur Digitalisierung:

Sind Sie bereit?

Wir sind froh, dass Sie gefragt haben! Vereinbaren Sie direkt einen Termin mit uns, um diesen wichtigen ersten Schritt des Innovationsprozesses zu beginnen – die Bedarfsanalyse. Wir freuen uns darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um die Herausforderungen zu meistern und die digitale Innovation in Ihrem Unternehmen voranzutreiben.

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